Montag, 31. August 2009

Die Schweizer

Ab und zu passiert es mir, das Kollegen oder Bekannte mich nach meiner Herkunft fragen. Oder besser gesagt, sie fragen, ob ich Schweizer wäre? Lächelnd verneine ich und kläre über meine dialektischen Wurzeln auf. Von dem Ort aus, an dem ich geboren bin, könnte man in die Schweiz hineinspucken. Wenn man über den Rhein spucken könnte. Nur der Hochrhein trennt meinen Geburtsort vom Land der Helvetiker. In Folge dessen habe ich auch ein sprachliches Erbe, das nur schwer zu verleugnen ist. Immer wieder erzeuge ich beim Sprechen das Charakteristische "chr" und sofort bin ich entlarvt. Natürlich wird ein Nördlich des Hochrhein Geborener das vehement abstreiten und sich allerhöchstens zum allemannischen Dialekt bekennen, niemals aber Schweizerdeutsch. Tatsächlich ist es so, das ein an der Grenze zur Schweiz aufgewachsener Bundesdeutscher Bürger jederzeit unterscheiden kann, wer aus der Nordschweiz und wer aus Süddeutschland kommt. Für Mitbürger aus weiter "oben" gelegenen Bundesländern ist das schon schwieriger. Ganz Unbedarfte haben mich auch schon nach Holland eingeordnet.
Seltsamerweise haben viele meiner Bekannten ein Geografisches Problem. Sehr viele sehen Freiburg schon als südlichste Stadt Deutschland an. Das es von Freiburg noch gute achtzig Kilometer bis Basel sind, wird großzügig übersehen. Doch ich will etwas über die Schweizer erzählen. Da ich die Ehre und das Vergnügen hatte, sechs Jahre lang in der Schweiz zu arbeiten und wie gesagt in direkter Nachbarschaft aufgewachsen bin, maße ich mir an, zumindest die Nordschweizer zu kennen. Den Schweizern wird ein hohes Maß an Genauigkeit, siehe Uhren, nachgesagt. Stimmt! Ein Schweizer denkt zuerst nach, sehr gründlich. Jedes Problem wird von möglichst jeder Seite betrachtet und wenn möglich werden noch mehrere Personen hinzugezogen, die sich an der Betrachtung beteiligen sollen. Darüber kann schon eine Menge Zeit vergehen, was wiederum dazu führt, das den Schweizern eine gewisse Langsamkeit nachgesagt wird. Stimmt auch! Wenn in der Schweiz ein Handwerker morgens um Sieben sein Tagwerk beginnt kann es schon mal bis halbzehn dauern, bis ein Handstreich getan ist. Warum bis Halbzehn? Bis Neun wird nachgedacht und dann ist Pause. Die Pausen in der Schweiz folgen genauen Ritualen. Während der deutsche Handwerker und Büroangestellte seine Brote mitbringt, geht der Schweizer ins Gasthaus. Im Dialekt heist diese Pause "znuene". Versuchen Sie nicht, das auszusprechen, es klappt nicht. Dazu müssen Sie vor Ort aufgewachsen sein. Genauso verhält es sich mit dem Mittagessen und der Pause um Fünfzehn Uhr. Die Schweizer Gaststätten und Restaurants sind darauf eingestellt und bieten entsprechende Speisen an. Der Schweizer hat durchschnittlich ein höheres Einkommen als der Deutsche, aber auch höhere Lebenshaltungskosten. Nur die Steuer ist im Alpenländle gnädiger zu seinen Bürgern. Sehr Teuer sind Spirituosen und Fleisch. Aus diesem Grunde wimmelt es an Samstagen in den Grenznahen Städten auf deutscher Seite auch von Schweizern auf Einkaufstour. Die deutschen Geschäfte generieren einen erheblichen Teil ihres Umsatzes aus den Schweizer Kunden. Viele tausend Deutsche arbeiten als Grenzgänger in der Schweiz, wie schon erwähnt, auch ich damals. Die Finanzstarke und Stabile Schweiz ist ein Glücksfall für den Süden von Baden Württemberg, der von der nächstgroßen Wirtschaftszone Stuttgart fast zweihundert Kilometer entfernt ist. Zürich liegt nur dreissig Kilomter von der Grenze entfernt.
Die Schweizer selbst haben gewisse Eigenarten, die Sie dem deutschen Betrachter manchmal etwas seltsam erscheinen lassen. Sie neigen zu einem etwas übertriebenen Nationalstolz. Gleich wie in Amerika findet man überall die Nationalflagge, das weisse Kreuz auf rotem Grund, in den Vorgärten. Auch die Schweizer Armee ist eine fest installierte Institution, ist doch jeder wehrfähige Schweizer quasi bis zur Rente allzeit bereit, sein Land zu verteidigen. Was wir von den Schweizern lernen könnten, wenn unsere Karriere-Politiker nicht Angst um ihre Pfründe hätten, wäre das Demokratie-Verständnis. Wichtige Gesetze werden in der Schweiz per direkter Volksabstimmung entschieden. Das dass Funktioniert, zeigt die politische Stabilität und was es wirklich Liebenswert macht, das man auch höchste Politiker in der Hauptstadt Bern in der Strassenbahn treffen kann. Es ist ohne Frage ein schönes Land und die Menschen darin sind auf witzige Art einfach etwas Komisch.

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